Kirchenkabarett
Pressebericht von Götz Bechtle
Kirche und Kabarett – passt das zusammen? Zuerst wird man nein sagen, und dann nachdenken. Kabarett, spitzzüngig, frech, zum Lachen? Kirche, zurückhaltend, fromm, demütig, nie aufmüpfig? Eine Antwort darauf gab am vergangenen Samstagabend das Kirchenkabarett „Die Vorletzten“ bei einer öffentlichen Veranstaltung des CVJM Calmbach im Evg. Gemeindehaus, denn schließlich machen auch in der Provinz die tagtäglichen Themen und Probleme nicht vor der Kirchentüre Halt.
„Die Vorletzten“ sind Peter Schaal-Ahlers und Søren Schwesig, und beide sind Pfarrer! Schaal-Ahlers ist Pfarrer für Citykirchen in Esslingen, Schwesig Stadtdekan von Stuttgart, und beide hinterfragen ihren „Job“ als Pfarrer und nehmen ihn und sich selbst dabei auf die Schippe.
Obwohl Calmbach ja nun nicht gerade Großstadt ist, trafen sie mit ihrem Programm „Zwei in einer großen Stadt“ durchaus den richtigen Ton, denn die Schwierigkeiten in der Großstadt sind keineswegs nur dort zu finden, sondern genauso im ländlichen Bereich.
Da erfährt man überaus Interessantes und Amüsantes über die verschiedenen Milieus, die es gibt. Die Konservativen, die Etablierten, die bürgerliche Mitte und die Hedonisten (genussorientierte Egoisten) werden ebenso beleuchtet wie der Mann an sich. Der geht nicht gerne in ein Herrenbekleidungsgeschäft, dafür aber das Paradies der Männer, den Baumarkt, liebt, wo er dann gleich den dritten Akkuschrauber kauft, im Sonderangebot natürlich, den er für die Garage braucht, denn die beiden anderen sind ja im Haus.
Köstlich ein Telefonat des besorgten Dorfpfarrers, auf dessen Kirchdach zwei gleichgeschlechtliche Störche sich „exzessiv“ ausleben, aber weder der Genderbeauftragte noch die anderen Stellen der Kirchenverwaltung helfen können, bis schließlich ein Sichtschutz als „Württemberger Lösung“ das Problem beendet. Denn was man nicht sieht, ist nicht vorhanden. Die verschiedenen Chef-Typen Chaot, Ignorant, Choleriker, Stratege, Softi, die es auch in der Kirche gibt, wurden analysiert und Tipps für deren Behandlung ausgegeben. Am besten: „Als Mitarbeiter ist es ihnen egal, wer unter ihnen Chef ist!“ Natürlich war auch der Kirchenpfleger ein Thema. Schließlich muss dieser nicht nur eine mittelfristige Finanzplanung vorlegen, sondern auch ein souveränes Angstmanagement verbreiten, damit jeder merkt, wie aussichtslos finanzielle Forderungen sind.
Aber „Die Vorletzten“ waren nicht nur kritisch und spitzzüngig, sondern auch durchaus verständnisvoll und versöhnend. So empfahlen sie, sozusagen therapeutisch, jeden Tag zehn Minuten lang ohne Handy, TV oder Radio, nachzudenken, was schön ist oder war. Auch der Ratschlag „Tun Sie was für andere, dann haben Sie auch etwas für sich getan!“ ist nachdenkens- und befolgenswert.
Dazwischen gefielen die beiden Pfarrer mit Klavierspiel und Songs. „Zwei in einer großen Stadt,“ „Irgendwo auf der Welt gibt’s ein kleines bisschen Glück“ oder „Die Gedanken sind frei,“ sowie selbst gedichtete und vertonte Texte, die zum Thema passten, wurden instrumental und vokal vorgetragen.
Ulrike Morgeneier vom CVJM Calmbach, die eingangs „Die Vorletzten“ begrüßt hatte, meinte in ihren Dankesworten. „Da findet sich jeder irgendwo wieder,“ und erkundigte sich, wie man als Pfarrer zum Kabarett komme. Das Hauptproblem, so beide Kabarettisten, sei es, dass die meisten Menschen sich für ihren Glauben schämen, statt dies mit Freude zu bekennen. Der herzliche Applaus der etwa 60 Besucher zeigte deutlich, dass man die kleinen Anstöße, die in jedem Sketch enthalten waren, verstanden hatte und über sich selbst ein bisschen ins Nachdenken geriet.